Pilotprojekt für eine soziale Stadt
Im Jahr 1997 begann eine neue Ära: Aus dem ehemaligen Problemquartier Starkenburgring im hessischen Dietzenbach wird dank der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt und dem Bund-Länder-Programm "Soziale Stadt" langsam aber stetig das bunte Spessartviertel. Petra Klein, Kundenbetreuerin im Regionalcenter Offenbach, war – und ist noch heute – stets nah an den Bewohnern. Sie erinnert sich an die Anfänge vor Ort.
Inwiefern war Dietzenbach ein besonderes Projekt?
Petra Klein: Die Kolleginnen und Kollegen der ProjektStadt haben in Dietzenbach mit dem Bundesprogramm "Soziale Stadt" wahre Pionierarbeit geleistet. Das hat das gesamte Vorhaben bis heute nachhaltig geprägt. Die Strukturen, die auch wir seitens der Kundenbetreuung dort vorfanden, waren äußerst vernachlässigt: Es gab keine Haustüren, keine Briefkästen, keine Klingelanlage, die Parkdecks waren ein einziger Schrottplatz. Die fünf Hochhäuser umfassten insgesamt 1.019 Wohnungen. Eines der Hauptprobleme war, dass die Liegenschaften etwa 700 Besitzern gehörten. Diese konnten sich bei Eigentümer-Versammlungen nicht einigen, daher wurden wichtige Modernisierungen nicht umgesetzt. Auf Verwaltungsebene hat die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt (NHW) daraufhin gemeinsam mit der Stadt die Wohnungsgesellschaft Dietzenbach gegründet. Diese hatte dann insgesamt 89 Wohnungen gekauft, damit wir Einfluss nehmen konnten.
Was waren die ersten Schritte, die zu gehen waren?
Petra Klein: Vordringlich mussten wir Ordnungssysteme schaffen, Postadressen etablieren und generell die Sicherheit im Quartier herstellen. Nur so konnten die Bewohner überhaupt das Gefühl erlangen, in ein "Zuhause" zu kommen. Im zweiten Schritt wurden 68 Flure gestrichen und die Gestaltung von 35.000 Quadratmetern Außenfläche in Angriff genommen. Mit der Förderung aus dem Programm "Soziale Stadt" wurden die Eingangsbereiche restauriert, die Aufzüge, die Klingel- und Briefkasten-Anlagen, die Freiflächen und Außenanlagen. Auch die Installation einer Videoanlage hat sehr viel gebracht. Mittlerweile sind Hausmeister präsent, auch ein Concierge-Dienst arbeitet vor Ort. Alles hat sich erfreulicherweise komplett gewandelt!
Viele Kinder der dort lebenden Familien haben die Außenanlagen mit umgestaltet. Es war sehr berührend mit anzusehen, wie sehr sie dabei aufgeblüht sind – viel mehr als die Blumen, die sie von uns als Anerkennung für ihre Arbeit bekommen haben.
Neuland haben Sie auch betreten, als es um die Partizipation der Mieter ging?
Petra Klein: Ja, vor allem bei den Grünflächen und den Spielplätzen: Die Kinder durften mit entscheiden und die Erwachsenen mit anpacken. Viele Kinder der dort lebenden Roma-Familien haben die Außenanlagen mit umgestaltet. Es war sehr berührend mit anzusehen, wie sehr sie dabei aufgeblüht sind – viel mehr als die Blumen, die sie von uns als Anerkennung für ihre Arbeit bekommen haben. Durch dieses aktive Mitmachen haben sich die Bewohner viel stärker mit ihrer Nachbarschaft identifiziert. Ich erinnere mich an einen älteren Bewohner, der immer an seinem Zaun im Marktheidenfelder Weg stand. Er sagte zu mir: "Ich pass‘ auf, dass nichts kaputtgemacht wird, weil ich das ja mitgebaut habe."
Was hat sich geändert?
Petra Klein: Es hat sich vieles an diesem Standort erheblich gebessert! Wir hatten anfangs teilweise 50 Prozent Leerstand. Interessenten sind oft schon zu anberaumten Besichtigungsterminen gar nicht erst erschienen: Sie haben das Viertel gesehen und sind auf der Stelle umgekehrt. Nachdem wir die Wohnungen instandgesetzt hatten – mit neuen Bädern, Türen und Böden – haben wir unser Büro vor Ort eröffnet und wöchentlich feste Sprechzeiten eingerichtet. Dies wird heute noch rege genutzt. Wir haben stets ein offenes Ohr für die Mieter, wir achten auf den Zustand der Bestände – das schafft Vertrauen. Parallel dazu hat das Programm "Soziale Stadt" der Kolleginnen und Kollegen gegriffen: Quartiersmanager arbeiteten im Viertel, die Polizei hielt Sprechstunden. Heute gibt es sogar wieder eine Warteliste bei der Vermietung; das Interesse, hier einzuziehen, ist groß. Eine ganze Reihe ehemaliger Mieter haben mittlerweile ihre Appartements gekauft und wohnen weiterhin dort – jetzt eben in den eigenen vier Wänden. Alleine, ohne den Impuls der "Sozialen Stadt", hätten die Eigentümer all dies nie so umsetzen können.
Wie sehen Sie das Quartier heute?
Petra Klein: Dietzenbach ist nach wie vor ein herausragendes Pilotprojekt für unsere Gesellschaft. Natürlich gibt es immer noch viel zu tun. Eigentlich müssten wir eine komplette Sanierung vornehmen, aber dafür fehlen den Eigentümern die finanziellen Mittel. Andererseits finde ich es sehr wichtig, dass ein Leben ohne Angst dort jetzt möglich ist. Es ist ein schönes Quartier, mitten im Grünen. Mieter aller Altersklassen und Herkunft fühlen sich wohl, im Sommer herrscht draußen Leben pur. Mir macht es Spaß, in Dietzenbach zu arbeiten. Ich hoffe, dass die Zukunft noch weitere Verbesserungen mit sich bringt. Es hat sich schon sehr viel getan in 20 Jahren – es muss daher unbedingt in dieser Richtung – so dynamisch wie bisher – weitergehen!
Frau Klein, wir danken Ihnen ganz herzlich für Ihr Engagement in Dietzenbach und für dieses Gespräch.