Modellprojekt für Frauengerechtes Bauen und Wohnen
Mehr Frauen- und Kinderfreundlichkeit beim sozialen Wohnungsbau will die Nassauische Heimstätte 1993 umsetzen und startet einen Wettbewerb. Bereits vier Jahre später ziehen die ersten Mieterinnen ein.
Zusammen mit dem Land Hessen und der Stadt Wiesbaden lobt die NH 1993 den Realisierungswettbewerb „Frauengerechtes Bauen und Wohnen“ aus. Gemeinsam wollen sie Wohnraum schaffen, der den Bedürfnissen von erwerbstätigen Frauen mit Kindern mehr als bisher gerecht wird.
Bereits zum 1. Januar 1993 waren neue Technischen Wohnungsbaurichtlinien in Kraft getreten, die im sozialen Wohnungsbau speziell für Frauen neue Perspektiven eröffnen. Zu Beginn der 1990er Jahre und vielfach auch heute noch verdienen Frauen im Durchschnitt weniger als Männer. Deshalb sind sie auch häufiger auf preisgünstigen Wohnraum angewiesen, sind stärker vom Angebot des öffentlichen Personennahverkehrs abhängig und öfter alleinerziehend als Männer.
Die Auslober des Wettbewerbs legen daher besondere Anforderungen an Wohnungen, Wohngebäude, Wohnumfeld, Infrastruktur und Kosten fest – der Preis pro Wohneinheit soll zudem deutlich unter 4.000 DM pro Quadratmeter liegen.
Die Stadt Wiesbaden stellt für die Umsetzung ein über 3.500 Quadratmeter großes Grundstück im Baugebiet Mainz-Kastel, den Krautgärten, zur Verfügung und sagt die öffentliche Förderung des Projektes zu. Die Bauherrenschaft übernimmt die Nassauische Heimstätte. Am Wettbewerb beteiligten sich 29 Architektinnen und Architekten-Teams; den ersten Preis erhält schließlich die Bürogemeinschaft Klaudia Hornung und Michael Spies aus Frankfurt. 1995 wird der Grundstein für das Projekt gelegt.
Besondere Anforderungen für Frauengerechtes Wohnens
Frauengerechtes Wohnen benötigt zum Beispiel andere als die für den klassischen sozialen Wohnungsbau entwickelten Grundrisse. Das Team des Krautgärten-Projekts konzipiert daher etwa eine Wohnküche, in der Kinder beim Spielen oder Hausaufgaben beaufsichtigt und gleichzeitig gekocht werden kann. Gemeinschaftsräume und nutzungsneutrale Räume stehen allen offen, Bewohnerinnen und Bewohnern können selbst entscheiden, wie sie diese nutzen möchten. Außerdem werden Räume und Wohnungen wurden so flexibel gestallt dass sie bei Bedarf zusammengelegt werden können.
Eine Besonderheit des Verfahrens ist die Beteiligung der 25, vom Wohnungsamt der Stadt Wiesbaden ausgewählten künftigen Bewohnerinnen und Bewohner am Entstehungsprozess ihres neuen Zuhauses. Sie erhalten in regelmäßigen Abständen die Möglichkeit, die Baustelle und später auch ihre Wohnung zu besichtigen, die Nutzung von Gemeinschaftsräumen und -flächen zu diskutieren, Einfluss auf die Innenausstattung zu nehmen und in Gesprächsrunden eventuelle Probleme im Vorhinein zu lösen. Gleichzeitig wird ein Mieter- und Mieterinnenstatut konstituiert. Noch vor Bezug der Wohnungen gründet sich die Elterninitiative „Kraut und Rüben“. Diese betreibt eine integrativen Kinderbetreuungsstätte, die sich neben einem Café in der Wohnanlage befindet.
1996 ist der Rohbau fertig gestellt; im Frühsommer 1997 ziehen die ersten Haushalte in die beiden Gebäude im Ratsherrenweg ein.